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Initiative "Kurve kriegen" hilft jungen Straftätern

Christian Tappe (l.), Birgit Assmann und Benjamin Döge stehen vor der Herforder Polizeiwache.

Christian Tappe (l.), Birgit Assmann und Benjamin Döge helfen Kindern und Jugendlichen aus der Kriminalität. Die jungen Menschen sollen die "Kurve kriegen".

Jeder Intensivstraftäter und jede -täterin verursacht bis zum 25. Lebensjahr im Durchschnitt 1,7 Millionen Euro soziale Folgekosten und schädigt – das sind nur die bekannt gewordenen Fälle –100 Personen. Das Land Nordrhein-Westfalen setzt sich darum seit 2011 mit seinen Polizeibehörden dafür ein, Kinder und Jugendliche vor einem Abgleiten in die Kriminalität zu bewahren. An der Präventiv-Initiative „Kurve kriegen“ beteiligt sich seit diesem Jahr auch der Kreis Herford. Zum Team gehören zwei pädagogische Fachkräfte aus Bethel.

Bevor aber Benjamin Döge und Christian Tappe ihre Arbeit in den Familien beginnen, sind Birgit Assmann und Dagmar Windmann von der Polizei Herford gefragt. Die Kriminaloberkommissarinnen werten Strafanzeigen für Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 15 Jahren aus: Wie schlimm ist die begangene Straftat, wie jung ist die Täterin oder der Täter? Und sie nehmen – mit Hilfe der Ordnungsämter und der Schulen – die Risikofaktoren in den Blick: Liegen schwierige familiäre Verhältnisse vor, hat das Kind problematische soziale Kontakte? Wie verhält es sich in der Schule und in seiner Freizeit, hat es sich zurückgezogen und ist nur mit dem Handy beschäftigt? Konsumiert es Drogen?

Das Screening-Verfahren macht deutlich, bei welchen Kindern und Jugendlichen Unterstützung am nötigsten ist, damit sie die „Kurve kriegen“. Die Teilnahme an dem Angebot ist freiwillig.
„Zunächst gucken wir auf das soziale Umfeld des Kindes. Wer gehört zum System, und wo ist die verbrannte Erde?“, erläutert Benjamin Döge. Dann gehe es daran, schnell die passgenaue Hilfe zu vermitteln – das können Nachhilfe und die Mitgliedschaft im Sportverein sein, ebenso therapeutische Angebote oder ein Elterntraining. „Wenn das Kind und seine Familie Vertrauen zu uns gefasst haben und sie sich sicher sind, dass wir nur dafür da sind, dass es dem Kind gut geht, wird die Zusammenarbeit entspannter und persönlicher“, so die Erfahrung von Christian Tappe. „Das ist nach zwei, drei Monaten so.“

Die durchschnittliche Teilnahmedauer beträgt zwei Jahre. Pro Kind stellt das Land Nordrhein-Westfalen ein jährliches Budget von 11.000 Euro zur Verfügung, aus dem die Hilfen für die Kinder und die Gehälter der pädagogischen Fachkräfte finanziert werden. Diese sind mit 1,5 Vollzeitstellen in der Initiative „Kurve kriegen“ tätig. Bethel hatte sich mit anderen Trägern an dem Ausschreibungsverfahren beteiligt und den Zuschlag bekommen.

Das vierköpfige Team betreut zurzeit fünf Familien mit ihren Kindern; 15 bis 20 sollen es nach der Aufbauphase werden. Zurzeit wird noch weiter intensiv an der Vernetzung gearbeitet. Gerade sind der Alpakahof und der Gnadenhof in Herford hinzugekommen; sie können Freizeitaktivitäten anbieten. „Es läuft sehr gut“, sagt Birgit Assmann zufrieden. „Die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern, den Schulen und den Ordnungsämtern, auch mit Therapeuten und Beratungsstellen funktioniert. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass unsere Arbeit erfolgreich ist.“ Das Team sei immer informiert, wenn es bei den Kindern Auffälligkeiten gebe. So könne es bei Problemen sofort reagieren – zum Erstaunen der Kinder, die verblüfft fragten: „Woher wisst ihr das?“ 

Auch mit anderen Kurve-kriegen-Initiativen, wie der in Bielefeld, arbeiten die Herforder Hand in Hand zusammen. Bielefeld war zu Beginn der NRW-Initiative eine von acht Modellregionen. Seitdem sind auch hier Betheler Fachkräfte mit im Team.