Nachrichten

Martin Wulff geht in den Ruhestand

Martin Wulff steht vor der Statue des "Einladenden Christus" in Lobetal

Martin Wulff sucht gerne seinen Lieblingsort in Lobetal auf. Der "Einladende Christus" mit den geöffneten Händen ist ihm nah.

Von der Pünktlich- und Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn kann Martin Wulff ein Liedchen singen. Vom Baustellenland Deutschland ebenfalls. Kaum einer im Bethel-Kosmos hat wohl so viele Schienen- und Autobahnkilometer in Kauf genommen, um für Bethel in allen Töpfen zu rühren. „Wenn es geht, dann immer persönlich in Präsenz“, nennt der Geschäftsführer der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal das Geheimnis seines umfassenden Netzwerks. Das wird Bethel fehlen. Denn nun geht Martin Wulff in den Ruhestand. 

Sein Lieblingsort in Lobetal liegt nicht weit von seinem Büro entfernt. Auf der anderen Straßenseite steht die Statue des „Einladenden Christus“ vor den ehemaligen Schlafbaracken, die Friedrich v. Bodelschwingh Anfang des 20. Jahrhunderts für die Wanderarbeiter Berlins errichten ließ. „Die offenen, nicht wie üblich segnenden Hände dieser Christusfigur sind das Besondere. Diese Geste ist mir sehr nah“, sagt Martin Wulff. Das Bodelschwingh-Wort „… dass ihr mir niemanden abweiset“ hat den Pastorensohn Wulff in seinem beruflichen Wirken als Geschäftsführer immer begleitet.

2007 führte ihn der Weg nach Lobetal. Zuvor war Martin Wulff bereits Geschäftsführer eines diakonischen Trägers in Berlin. „Bethel und die handelnden Personen kannte ich aus den sogenannten Elefantenrunden“, erzählt Martin Wulff und schmunzelt. In vielen unterschiedlichen verbandspolitischen und arbeitsrechtlichen Gremien besprach und vernetzte sich Martin Wulff mit Vertretern anderer Sozialträger. So wurde unter anderem auch der heutige Bethel-Vorstand Dr. Rainer Norden, damals noch Geschäftsführer in Lobetal, auf Martin Wulff aufmerksam, der ihm 2010 im Amt nachfolgte.

Verwaltungssitz Lobetal
Die Hauptverwaltung der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal.

Für Lobetal begann damit eine Ausweitung der Angebote; vor allem wuchs die Nähe zur Bundeshauptstadt. 2010 überführte Martin Wulff die Stiftung Lazarus mit ihrem Campus an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße nach Lobetal. Weitere Meilensteine waren die Übernahme von drei Asklepios-Heimen. Hier konnten rund 150 Menschen mit psychischen Erkrankungen erfolgreich enthospitalisiert werden. Außerdem folgten die Übernahme der Schrippenkirche und des Hotels Grenzfall in Berlin sowie die Geschäftsbesorgung und schließlich Eingliederung des Diakonischen Werks Niederlausitz. Seit diesem Jahr gehört die Stiftung Evangelisches Diakoniewerk Königin Elisabeth (EDKE) zur Hoffnungstaler Stiftung Lobetal. Inzwischen reicht das Angebotsgebiet der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal von Bremen bis zur polnischen Grenze, von Nord-Ost-Brandenburg bis ins südliche Cottbus.

„Dass wir heute so solide dastehen, dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Martin Wulff. „Und ich bin auch ein wenig stolz darauf, dass alles so organisiert ist, dass ich es jetzt mit gutem Gefühl übergeben kann. Nach meinem Abschied wird das Handy dann ganz abgeschaltet“, verspricht der 67-Jährige und lacht. Dass Lobetal bei aller räumlichen und inhaltlichen Ausweitung auch auf der Ertragsseite erfolgreich ist, ist auch dem Verhandlungsgeschick von Martin Wulff zu verdanken. „Die Stellschraube, dass kleine Träger in Schwierigkeiten geraten, ist oftmals, dass Entgelte nicht verhandelt wurden“, sagt Martin Wulff. Er suchte darum immer das Gespräch mit den politischen Entscheidern und den Kostenträgern. Unter anderem war er Mitglied im Diakonischen Rat und zehn Jahre Vorsitzender des Verbandes diakonischer Dienstgeber. Zuletzt hat Martin Wulff auch das Amt des Geschäftsführers im Deutschen Spendenrat übernommen, das er nach seiner Zeit in Lobetal noch weiter ausführen wird.

Modell
Ein Modell der Ortschaft Lobetal. Fotos: Frederic Schweizer

Ein kleiner Bethel-Anstecker prangte dabei immer am Revers. „Die Zugehörigkeit Lobetals zu Bethel ist mir sehr wichtig“, betont Martin Wulff. „Denn nur von den brandenburgischen Entgelten allein lassen sich die nötigen Investitionen nicht stemmen. Dafür braucht es die Unterstützung des Vorstands in Bethel.“ Dass sich die Investitionen von etwa 4 Millionen Euro in 2011 auf geplant 21 Millionen Euro in diesem Jahr steigern ließen und sich inzwischen mit rund 3.000 Vollkraftstellen die Mitarbeitenden-Zahl verdreifacht hat, lässt Martin Wulff nach 17 Jahren in Lobetal zufrieden zurückblicken.

Eines aber macht ihm Sorgen mit Blick auf die Zukunft: die erstarkten extremistischen Kräfte in der Politik. „Wir müssen uns hier ganz klar positionieren. Für die Demokratie. Ich rede über Haltung“, sagt Martin Wulff entschlossen. Den einladenden Christus und das diakonisch-christliche Menschenbild gerade im Osten des Landes nach außen zu tragen sei wichtiger denn je.

Die Geschäfte hat Martin Wulff per Wissenstransfer an seine Nachfolgerin Jeannette Pella übergeben. Eine Reise mit seiner Frau nach Südtirol, Venedig und Triest ist schon geplant. „Ich bin natürlich auch traurig über den Abschied. Aber ich spüre eine innere Freiheit“, sagt Martin Wulff. Dann verabschiedet er sich mit Bitte um Verständnis. Es steht noch ein Gespräch an. Es geht um ein neues Projekt.