Menschennah | Geschichten aus Bethel
Betheljahr-Teilnehmerin findet ihre Bestimmung
Myrna Stipic hält das Tütchen zwischen Daumen und Zeigefinger und schwenkt es langsam zur Seite. Dort, gleich neben ihr, sitzt Dietmar Bröenhorst. Auch er schaut sich jetzt den Inhalt des kleinen Beutels an: Zwei Winkel und vier Schrauben liegen darin – genau so soll es sein. Beide lächeln zufrieden.
In der Werkstatt Eicheneck in Bielefeld-Bethel arbeiten Menschen mit zum Teil erheblichen körperlichen und geistigen Einschränkungen. So wie Dietmar Bröenhorst. Er hilft in der Produktion bei leichten Verpackungs- und Montagearbeiten mit. Es geht darum, Aufträge wie den eines ostwestfälischen Küchenherstellers zu erfüllen: pro Tüte zwei Winkel und vier Schrauben. Dietmar Bröenhorst schafft das, weil er Unterstützung bekommt. Unter anderen von Myrna Stipic. Die 21-Jährige absolviert in der Werkstatt ein Betheljahr – und hat offenbar ihre Bestimmung gefunden. „Es fühlt sich so an, als sei es für mich gemacht“, sagt sie. „Mich erfüllt, was ich hier tue.“
Vom Betheljahr hatte die Bielefelderin nach dem Abitur durch Freunde und Bekannte erfahren. Teilnehmende absolvieren es im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder des Bundesfreiwilligendienstes. Das Betheljahr gibt es schon seit 20 Jahren. Die Tätigkeit gibt ihnen die Möglichkeit, erste Eindrücke in den für Bethel typischen Berufen zu gewinnen. Viele von ihnen beginnen anschließend eine Ausbildung, etwa in der Krankenpflege, Altenpflege oder Ergotherapie.
Genau das möchte nun auch Myrna Stipic tun. Sie will sich um eine Ausbildung als Ergotherapeutin bemühen. Gut möglich, dass sie später ein Studium anschließen wird. Erst einmal aber hat sie ihr Betheljahr um sechs Monate verlängert. „Das habe ich gemacht, weil ich so noch mehr Erfahrung sammeln kann und die Arbeit mir sehr, sehr gut gefällt“, sagt sie: „Ich habe das Gefühl, für Menschen da zu sein, und ich spüre, dass ich Teil eines Teams bin.“
Myrna Stipic assistiert Beschäftigten wie Dietmar Bröenhorst in der Produktion, unterstützt und begleitet sie aber auch beim Essen und beim Toilettengang. Mit manchen geht sie spazieren, mit anderen malt sie oder liest ihnen vor. „Wichtig ist es“, sagt sie, „die zu betreuenden Menschen gut im Blick zu behalten; auch diejenigen, die nicht mitarbeiten können und trotzdem in der Werkstatt sind, um an der Arbeitswelt teilzuhaben.“ Genauso wichtig ist es für sie, ein Gespür dafür zu entwickeln, in welcher Verfassung die Beschäftigten sind; zu begreifen, was sie können und was sie möchten. Das ist nicht immer leicht, denn nicht mit allen sind Gespräche möglich. Sie finde trotzdem meistens einen Weg zu ihnen, sagt Myrna Stipic: „Ich bin ein sehr empathischer Mensch und merke, was bei anderen los ist.“
Was bei ihr selbst los ist, weiß Myrna Stipic sogar noch besser. Glücklich und zufrieden ist sie, sich für ein Betheljahr in der Werkstatt Eicheneck entschieden zu haben. „Ich kann das Betheljahr nur empfehlen“, sagt sie: „Für meine Entwicklung war und ist es sehr gut. Ich bin daran gewachsen und habe gelernt, für mich und andere einzustehen.“
Text: Philipp Kreutzer | Fotos: Thomas Richter
Diese Geschichte einfach gesprochen
Myrna Stipic ist 21 und arbeitet in der Werkstatt Eicheneck in Bethel. Sie macht dort ein Betheljahr. Das ist freiwillig. Sie unterstützt Menschen mit starken körperlichen und geistigen Einschränkungen. So können diese Menschen besser ihre Arbeit machen. Das macht Myrna Stipic große Freude. Deshalb hat sie ihr Betheljahr um sechs Monate verlängert.
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Betheljahr | Freiwilligenagentur-Bethel
Grete-Reich-Weg 13
33617 Bielefeld
Angebote & Leistungen
Das Betheljahr ist ein Bildungs- und Orientierungsjahr für junge Erwachsene ab 17, in Ausnahmefällen auch für 16-Jährige bei persönlicher Eignung und Befähigung. Es ist als Orientierungsjahr zwischen Schule und Beruf ausgerichtet. Die Lern- und Erfahrungsbereiche Persönlichkeitsentwicklung und Berufsorientierung bilden die inhaltlichen Schwerpunkte des Betheljahres.