Menschennah | Geschichten aus Bethel
Oliver Krop – Erstwähler mit 51 Jahren
Die Sonne strahlt, schon am Vormittag zeigt das Thermometer über 20 Grad. Der 26. September 2021 ist in Bielefeld-Eckardtsheim ein herrlicher Spätsommertag – und passt perfekt zur Gemütslage von Oliver Krop. Der 51-Jährige ist glücklich, weil er an diesem Sonntag zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl seine Stimme abgeben darf. „Das finde ich gut“, sagt der Bethel-Klient, bevor er sich auf den Weg zum Wahllokal macht. „Wir Menschen mit Behinderungen sind nämlich bis jetzt bei Wahlen vernachlässigt worden.“
Seit 2019 dürfen in Deutschland rund 85.000 Menschen, die wie Oliver Krop eine gesetzliche Betreuung in Anspruch nehmen, bei Abstimmungen über das deutsche Parlament ihre Kreuze machen. Zuvor waren sie per Bundeswahlgesetz ausgeschlossen. Der Kampf, diese Diskriminierung aufzuheben und das inklusive Wahlrecht zu etablieren, dauerte viele Jahre.
Schnell und unkompliziert lässt sich dagegen für Oliver Krop an diesem Sonntag der Wahlvorgang erledigen. Am späten Vormittag begibt er sich zu Fuß auf den etwa 15-minütigen Weg von seiner Wohnung in Eckardtsheim zum Wahllokal im Thekoa-Saal. Anmelden, Kreuze machen, den Zettel in die Urne werfen – fertig. Nicht einmal fünf Minuten später steht Oliver Krop wieder auf dem sonnenüberfluteten Platz vor dem Saal. „War ungewohnt, aber gut“, sagt er.
Dass Oliver Krop und andere Menschen mit Einschränkungen nun erstmals bei einer Bundestagswahl ihre Stimme abgeben durften, freut auch Peter Nicolini. Er ist Erzieher, Mitarbeiter im Unterstützten Wohnen Eckardtsheim I und damit für Oliver Krop zuständig. „Wählen zu dürfen stärkt das Selbstvertrauen“, sagt Peter Nicolini. „Oliver Krop tut das Wählen auch gut, weil ihm das sehr wichtig ist.“
Wählen bedeutet Teilhabe
Oliver Krop ist politisch interessiert, er geht regelmäßig zum Politischen Stammtisch im Begegnungs- und Freizeitzentrum Eckardtsheim. Dort haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter der Leitung von Bethel-Bereichsleiterin Annette Fuhrmann auf die Wahl vorbereitet. Zudem ist Oliver Krop Zweiter Vorsitzender des Bewohnerbeirats Unterstütztes Wohnen Eckardtsheim I. Egal, ob dort oder im Kreis der Kolleginnen und Kollegen bei seiner Arbeit als Friedhofsgärtner: Oliver Krop ist einer, der gern mitmacht und sich einbringt.
„Dazugehören, dabei zu sein und sich zu beteiligen sind wichtige Voraussetzungen zur Teilhabe“, sagt Annette Fuhrmann. „Wählen zu dürfen bedeutet ein Stück mehr Teilhabe am Leben und in der Gesellschaft. Und die Menschen lernen, sich selbst zu vertreten, für ihre Rechte einzusetzen und trauen sich zunehmend mehr zu.“
Auf das Wahlergebnis und den nächsten Bundeskanzler ist Oliver Krop an diesem für ihn so besonderen Sonntag sehr gespannt. Neben der Neugier nimmt der Eckardtsheimer viel Zufriedenheit mit auf den Heimweg. Es ist die Zufriedenheit damit, endlich gewählt zu haben und dazuzugehören. „Bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren“, sagt er zum Abschied, „bin ich wieder dabei.“
Text: Philipp Kreutzer | Fotos: Thomas Richter, Philipp Kreutzer
Diese Geschichte einfach gesprochen
Oliver Krop ist 51 Jahre alt. Er lebt in Bielefeld-Eckardtsheim und hat eine gesetzliche Betreuerin. Bei der Bundestagswahl 2021 durfte er zum ersten Mal wählen. Das liegt am inklusiven Wahlrecht. Es gilt seit 2019. Oliver Krop ist zufrieden. Er will auch bei der nächsten Wahl wählen.
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Über die Einrichtung
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Politischer Stammtisch Bethel
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33689 Bielefeld
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