Interview mit Bethels Vorstandsvorsitzendem Pastor Ulrich Pohl

"Bethel wird mich ein Leben lang begleiten"

Seit 2008 ist Pastor Ulrich Pohl Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Anfang 2026 wird er die Geschäfte an seine Nachfolge übergeben. DER RING sprach mit ihm über die Aufgaben, die in Zeiten großer politischer Unsicherheit bis dahin noch vor ihm liegen. Und über die Qualitäten, die ein neues Vorstandsteam mitbringen muss.

Herr Pohl, Sie gelten als ausgesprochener Nachrichtenmensch, wie sieht ein typischer Morgen an einem Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich informiere mich schon, bevor ich ins Büro gehe. Dazu gucke ich das Morgenmagazin von ARD und ZDF, schalte auch auf Welt.tv und ntv. Und ich lese die Zeitungen. Alles, was ich mir in der Politik an Informationen hole, lese und schaue ich mit Blick auf Bethel.

Was war Ihr erster Gedanke, als die Ampel-Regierung zerbrochen ist?

Das habe ich über kurz oder lang erwartet. Aber die Art und Weist der Beendigung war schon bedrückend.

Eine Rumpf-Regierung ohne eigene Mehrheit im Bundestag, dazu die Ungewissheit, was die Präsidentschaft Trumps in den USA für Folgen für uns hat, nicht enden wollende Krisenmeldungen... Machen Ihnen die Nachrichten nicht schlechte Laune?

Schlechte Laune macht mir das nicht, aber große Sorgen. Ich sorge mich um Deutschland und um Europa. Wenn ich mir die Landtagswahlergebnisse im Osten ansehe und die Prognosen für die vorgezogene Bundestagswahl, dann betrifft die Instabilität nicht nur Europa, sondern auch Deutschland. Und die Frage ist: Wer soll hier eigentlich unter welchen Voraussetzungen mit wem regieren? Und wie kommen wir aus der großen Krise raus?

Wenn die Wirtschaft krankt, dann hustet auch Bethel?

Wir haben immer so gewirtschaftet, dass wir solide aufgestellt sind. Aber eine Wirtschaftskrise bedeutet zumindest für mich, dass wir in Bethel realistisch schauen müssen, welche Leistungen wir weiter erhalten können. Viele Kommunen sind schon lange an der Grenze dessen, was sie leisten können. Ihnen droht wegen der Verschuldung, dass sie von den Bezirksregierungen Nothaushalte verordnet bekommen. Das macht mir Sorgen für die freiwilligen Leistungen, die ja in Bethel manches finanzieren. Ich weiß von kleineren diakonische Einrichtungen, die nicht das Fundament wie Bethel haben, und bereits an ihrer Grenze stehen.

»Bethel wird mich natürlich ein Leben lang begleiten. Das ist so. Dafür habe ich hier auch zu viel Herzblut gelassen.«
Pastor Ulrich Pohl

Die Jahreslosung 2025 heißt: Prüfet alles, behaltet das Gute. 

Das ist genau, was ich im nächsten Jahr verfolgen muss. Alles prüfen und feststellen, was das Gute ist, was wir behalten wollen. Wir werden auch an manchen Stellen schmerzliche Einschnitte erleben. Darum kommen wir nicht herum. Ich hoffe, dass wir das mit unseren Mitarbeitervertretungen, Betriebsräten, Vorständen und dem Verwaltungsrat gemeinsam auf einen Weg bringen, der vertretbar ist. Das ist uns bisher so gelungen, dass wir keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen mussten. Ich erwarte, das bleibt so. Das wird aber nur möglich sein, wenn wir alle miteinander vernünftig umgehen mit der Problematik.

Bodelschwinghs Anstaltsgedanke war in den Anfängen Bethels, möglichst autark zu wirtschaften. Heute steht der soziale Bereich am Tropf der wirtschaftlichen Lage. Macht das manchmal ohnmächtig?

Nein. Denn was Bodelschwingh aufgebaut hat, war ja sehr zukunftsweisend. Dass wir eine Ortschaft haben wie Bethel und dazu draußen noch andere Standorte, ist erstmal eine Stärke! Die hat auch der Landschaftsverband inzwischen entdeckt, weil er von Regelungen, dass man Investitionen nicht mehr in der eigenen Ortschaft tätigen darf, abgerückt ist. Hier auf den Grundstücken können wir Dinge deutlich günstiger realisieren. Das hilft uns jetzt sehr. Eigenes Gelände, eigene Gebäude, die wir umgestalten können – das ist nicht jedem gegeben.

Die vergangene Dekade hat Bethel jedes Jahr hohe, teils dreistellige Millionensummen gestemmt. Kann Bethel das Tempo beibehalten?

Das stimmt, wir haben eine Reihe von nötigen und zukunftssichernden Investitionen getroffen. Oftmals durch die große Unterstützung unserer Spenderinnen und Spender. Diese Form der Finanzierung wird zukünftig aus dem Bereich Spenden so kaum noch möglich sein, weil das Geld anderswo gebraucht wird. Wir müssen uns konzentrieren auf Investitionen, die sich relativ schnell selbst refinanzieren. Wir prüfen darum jede Investition im Vorstand, noch bevor die Planung beginnt. Das ist eine deutliche Veränderung. Früher konnten die Geschäftsführungen erst planen, und wenn es einigermaßen vernünftig erschien, wurde es verabschiedet. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Sie gehen in Ihr letztes Jahr als Vorstandsvorsitzender Bethels. Was macht ihnen Hoffnung für 2025?

Was mir Hoffnung macht, sind natürlich unsere 25.000 Mitarbeitenden, die an der gleichen Sache arbeiten. Wir haben eine ganze Fülle von Menschen, die mit hohen Idealen bei der Arbeit sind und hervorragende Arbeit leisten. Das ist das wichtigste für alle Menschen, die sich uns anvertrauen, die Hilfe und Unterstützung und Pflege suchen. Hoffnung macht mir zudem unser christlicher Glaube. Er ist die Grundlage, aus dem heraus wir auch manche wirtschaftliche Not überwinden können.

Insgesamt werden Sie dann fast 18 Jahre an der Spitze Bethels gestanden haben. Hätten Sie das bei Antritt für möglich gehalten?

Das hätte ich natürlich nicht gedacht. Aber ich freue mich, was wir alle miteinander – Vorstand, Geschäftsführungen, Mitarbeitende und unsere Klientinnen und Klienten – in dieser Zeit geschafft haben. Es war eine gute und erfolgreiche Zeit, die auch oft deutlich leichter war, als sie es im Moment ist, das muss man fairerweise sagen. Die Tätigkeit hat mir sehr viel Spaß gemacht. Aber es ist dann auch gut, wenn man nach so einer langen Zeit Aufgaben übergeben kann mit der Zuversicht: Die werden das schon schaffen.

Was waren Ihre wichtigsten Entscheidungen?

Mein Herzensprojekt war die Region Berlin-Brandenburg, dass wir Lobetal nach dem Ende der DDR hier zu Bethel als vierte Stiftung dazu geholt haben. Und dass wir auch Eben-Ezer als fünfte Stiftung in den Verbund geführt haben. In meiner Amtszeit waren das sicher die beiden wesentlichen Entscheidungen, die für beide Seiten jeweils richtig waren. Lobetal hat sich sehr gut entwickelt. Und auch Eben-Ezer kann jetzt über die lippischen Grenzen hinauswirken. Da haben wir alle zusammen eine kluge und richtige Entscheidung getroffen. 

Was muss Ihre Nachfolge mitbringen?

Für diese Aufgabe muss man zunächst einmal gut zuhören können, wo den Leuten der Schuh drückt. Man muss einschätzen können, welche Maßnahmen wichtig sind und dafür auch einen starken Durchsetzungswillen haben. Man wird auch Mal gegen Widerstände entscheiden müssen. Es schadet aber sicher auch nicht, wenn man einen Fehler einsehen kann (lacht). Und meine Nachfolge muss aus dem christlichen Glauben heraus diese Stiftung leiten. Das ist das Entscheidende. Das alles wird man nie alleine schaffen können, das geht nur im Team.

Der komplette Vorstand wird innerhalb von gut zwei Jahren gewechselt. Ist so ein schneller Umbruch in wenigen Jahren problematisch?

Wenn man gute Leute findet, ist das kein Problem. Und ich denke, wir haben gute Leute gefunden, die bei uns ja auch schon engagiert waren. Pastor Dr. Bartolt Haase kennt Bethel bestens, schon seit seiner Zeit als Vorstandsassistent. Mit Dr. Simon Stark haben wir einen fähigen Juristen an Bord geholt. Wir haben mit Andrea Wagner-Pinggéra eine Frau gefunden, die in den vergangenen fünf Jahren die Region Berlin-Brandenburg theologisch gut geführt hat. Und mit Christoph Nolting jemanden, der als Controller mehr als 25 Jahre in Bethel nachgewiesen hat, wie stark er dieser Stiftung verbunden ist. Der neue Vorstand muss jetzt zeigen, dass er es kann. Das ist dann ab 2026 deren Aufgabe, nicht mehr meine.

Wird man Sie hier in Bethel dann noch antreffen? Schauen sie noch drauf?

Ich werde mich sicher gelegentlich blicken lassen. Aber wenn jemand meine Aufgabe übernimmt, ist es wichtig, dass man dann freie Hände und Füße hat, zu leiten. Deshalb werde ich das, was kommt, weder kommentieren, noch im Detail anschauen. Aber Bethel wird mich natürlich ein Leben lang begleiten. Das ist so. Dafür habe ich hier auch zu viel Herzblut gelassen. Aber die Aufgaben, die dann zu erfüllen sind, die werden die anderen erfüllen.