Menschennah | Geschichten aus Bethel

"Ich fühle mich hier gut aufgehoben"

Eine Brise kühler Luft strömt durch das gekippte Fenster und lässt die leichten Vorhänge tanzen. Leuchtende Ringelblumen in der Vase vor den Scheiben erinnern an sonnige Zeiten. Elke Mac Kinnon hat sich in ihr warmes Bett im Betheler Hospiz „Haus Zuversicht“ gekuschelt und träumt vom Frühling auf Madeira. Sie blättert in einem Fotoalbum und zeigt auf ein Bild. Alles blau: der Himmel, das Meer und dazu kleine bunte Schiffe im Hafen der portugiesischen Insel. „Da war die Welt noch in Ordnung“, sagt die 68-Jährige. Dann wurde ihr schwarz vor Augen. Mitten im Urlaub musste sie ins Krankenhaus. Zurück nachhause ging es mit schwerem Gepäck: Diagnose Lungenkrebs – metastasiert.

Mit den Enkeln Kniffel spielen 

„Aber ich bin seither nicht mit dem Kopf unterm Arm gelaufen!“, sagt Elke Mac Kinnon. Sie lacht und nickt dabei fast trotzig. Mit unzähligen Chemotherapien und Bestrahlungen hat sie dem Krebs den Kampf angesagt. Auch jetzt, als Gast im Betheler „Haus Zuversicht“, einem stationären Hospiz für schwer und unheilbar erkrankte Menschen, behält sie ihren Lebensmut – obwohl sie bald sterben muss. Denn es gibt noch gute Tage. An denen sitzt sie in der Wohnküche, wo es nach Kaffee und Kuchen duftet. Oder nach Speck und Rührei – wenn ein Gast sich das zum Essen wünscht. Elke Mac Kinnon genießt es auch, von der Terrasse aus in den Garten zu schauen. Freunde und Familie kommen oft zu Besuch. Mit den Enkeltöchtern spielt sie Kniffel, und sie haben ihrer Oma die Fingernägel schön lackiert. „Überhaupt habe ich fast jeden Tag Besuch bekommen. Das tut gut!“, sagt die schwer kranke Frau.

Der Platz im Hospiz in Bethel sei für sie wie ein Sechser im Lotto. „Es ist hier wie in einer Wohngemeinschaft, nur mit Pflege und Medikamenten dazu. Nicht wie im Krankenhaus, wo das Personal immer in Eile ist. Hier nehmen sich alle Zeit – auch nachts. Ich fühle mich gut aufgehoben“, sagt Elke Mac Kinnon. Es ist ihr sehr wichtig, dass immer jemand da ist. Jemand, der schnell helfen kann, wenn die Luftnot zu groß wird, der Morphin geben kann, damit sich die Enge wieder legt. „Ich hatte schon schlimme Phasen, in denen ich dachte, ich würde ersticken. Aber die Medikamente haben die Situation entspannt“, sagt sie erleichtert.

Vor dem Tod hat sie keine Angst. Sie hadert nicht damit, diese Welt zu verlassen. Eine vage Hoffnung ist da auch, ihren geliebten verstorbenen Mann wieder zu treffen. Der große Schotte, dessen Fotos an der Wand hängen. Aber leiden möchte Elke Mac Kinnon nicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bethels und die Ärzte, die ins Hospiz kommen, sind alle erfahren in einer palliativen Begleitung von Menschen. Sie tun alles, um Angst und Schmerzen so gut wie möglich zu lindern. Das sei sehr beruhigend.

»Es ist hier wie in einer Wohngemeinschaft, nur mit Pflege und Medikamenten dazu. Hier nehmen sich alle Zeit – auch nachts.«
Elke Mac Kinnon

Solange es ging, hat Elke Mac Kinnon noch in ihrem Zuhause gelebt. „Das war mein Nest“, sagt sie. Ein ganzes Jahr lang haben sich ihr Sohn und ihre Schwiegertochter um sie gekümmert. „Überhaupt waren alle so lieb und hilfsbereit zu mir. Aber zum Schluss? Nein, das konnten die nicht mehr leisten!“, erzählt sie – ohne zu zögern. Am schlimmsten sei die Treppe gewesen. Ihr habe die Kraft gefehlt, sie noch zu bewältigen. Ihr Bein schimmert grün und blau vom letzten Sturz in der eigenen Wohnung.

Im Hospiz hat sie eines der wenigen Zimmer mit Bad. Mit dem Rollator kann sie alle Gemeinschaftsräume erreichen. Doch das ist nur im Erdgeschoss der alten Villa möglich. Bald wird ein Neubau allen Gästen beste Bedingungen bieten. Auch Angehörige werden es dann einfacher haben, in dem lichtdurchfluteten neuen Haus in Bethel zu übernachten. 

Schlafen? Einfach einschlafen. Das wäre Elke Mac Kinnon sehr recht. Doch bis dahin will sie leben. Menschen treffen. Den Hund im Hospiz kraulen. Musik hören. „Hier wird man so verwöhnt“, sagt sie dankbar. Ihr Mann im Himmel wird noch ein bisschen auf sie warten müssen.

Elke Mac Kinnon ist am 11.11.2022 verstorben.

Text: Heike Lepkojis | Foto: Thomas Richter

Diese Geschichte einfach gesprochen

Elke Mac Kinnon lacht gerne. Sie hört Musik. Oft bekommt sie Besuch von ihrer Familie. Sie wohnt im Hospiz in Bethel. Dort werden Menschen betreut, die nicht mehr lange leben. Die Menschen sind sehr krank. Im Hospiz gibt es Mittel gegen Schmerzen. Und alle helfen, wenn man Angst hat. Niemand bleibt allein.

Sie möchten mehr erfahren?

Kontakt

Hospiz Haus Zuversicht
Bethelweg 25
33617 Bielefeld

0521 144 5180

Zur Website der Einrichtung

Angebote & Leistungen

Das Haus Zuversicht gibt schwerkranken Menschen in der letzten Lebensphase Unterstützung und Begleitung. Sie haben die Möglichkeit, diese Zeit nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. In zehn geräumigen Einzelzimmern schaffen helle Holzmöbel, Blumen und Bilder eine private Atmosphäre. Angehörige und Freunde haben die Möglichkeit, im Stationären Hospiz zu übernachten. In der großen Wohnküche und im Wohnzimmer kann Begegnung stattfinden.

Menschennah

Weitere Geschichten aus Bethel

Themen | Arbeiten in Bethel, Bielefeld

Eine ausgezeichnete Pflegerin

Eine ausgezeichnete Pflegerin

Themen | Psychische Erkrankungen, Berlin, Lobetal

Viele Schritte zurück ins Leben

Viele Schritte zurück ins Leben

Themen | Hospiz, Bielefeld

Geborgen zwischen bunten Blubberblasen

Geborgen zwischen bunten Blubberblasen

Themen | Behindertenhilfe, Bielefeld

„Singen bringt gute Laune und macht lebendiger“

„Singen bringt gute Laune und macht lebendiger“

Themen | Psychische Erkrankungen, Unna

Der Traum vom eigenen Kinderbuch wird wahr

Der Traum vom eigenen Kinderbuch wird wahr

Themen | Epilepsie, Bielefeld

Hedwig Esders hat die Fäden in der Hand

Hedwig Esders hat die Fäden in der Hand

Pressekontakt

Presse + Kommunikation

Sie suchen Hilfe?

Sie oder eine angehörige Person sind auf Hilfe oder Begleitung angewiesen und suchen Unterstützung?

Sie möchten helfen?

In Bethel gibt es viele Möglichkeiten selber zu helfen. Wir freuen uns über jede Unterstützung!