Menschennah | Geschichten aus Bethel
20 Jahre Betheljahr
Es war ein bescheidener Anfang: Mit 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war 2002 die erste Auflage des Betheljahrs gestartet. Heute, 20 Jahre später, ist ihre Zahl rund 20 Mal so hoch. 480 junge Menschen waren im vergangenen Jahr für den Freiwilligendienst in Bethel im Einsatz. Nicht nur in Hinblick auf das Wachstum ist das Betheljahr ein Erfolgsmodell.
Konzipiert wurde das Betheljahr bei seinem Projektstart als Alternative für den Zivildienst. „Schon damals gab es Überlegungen, dass der Zivildienst möglicherweise einmal aufgelöst werden könnte“, sagt Diakon Stefan Homann, Leiter der Freiwilligenagentur Bethel. „Und weil es in Bethel um die 150 Zivildienstleistende gab, wollte man für diesen Fall vorbereitet sein.“
Fortan war Bethel nicht mehr nur Einsatzstelle für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), sondern auch Träger – und damit verantwortlich für Bewerbungsverfahren, Seminarangebote und die pädagogische Begleitung der Teilnehmenden. Tatsächlich abgeschafft wurde der Zivildienst schlussendlich erst im Jahr 2011. „Aber zu diesem Zeitpunkt hatte Bethel alles Organisatorische in trockenen Tüchern“, so Stefan Homann. Heute haben Betheljahr-Teilnehmende die Wahl zwischen FSJ und Bundesfreiwilligendienst; Unterschiede gibt es vor allem hinsichtlich der Altersgrenzen und der Möglichkeit, den Dienst auch in Teilzeit zu erfüllen.
„Die jungen Menschen sind für Bethel enorm wichtig“, sagt Stefan Homann. „Bei ihren Einsätzen übernehmen sie viele zusätzliche Tätigkeiten, die ohne sie gar nicht geleistet werden könnten.“ Positive Effekte in Bethel hinterließen sie aber nicht allein durch ihre Arbeitskraft. „500 junge Leute – das bedeutet auch 500 neue Ideen und viel frischen Wind.“ Mit dem unbefangenen Blick von außen würden auch eingespielte Prozesse hinterfragt und neu gedacht werden.
Ein stattlicher Teil der Teilnehmenden bleibt Bethel auch über den Freiwilligendienst hinaus verbunden. Allein im Jahrgang 2021/2022 hätten sich rund 70 von ihnen dazu entschieden, im Anschluss eine Ausbildung in Bethel zu beginnen. „Wenngleich das nicht das vorrangige Ziel des Programms ist“, so Stefan Homann. „Aber selbst wenn die Leute nach ihrem Betheljahr fortgehen, bleiben sie für uns gute Multiplikatoren – weil sie Bethel kennen und über uns und unsere Arbeit berichten.“
Text: Marten Siegmann | Fotos: Thomas Richter
Drei Gesichter – Drei Geschichten
2002 | Tobias Holzwarth
»Das Betheljahr war für mich eine sehr aufregende und schöne Zeit. Im Vergleich zu heute waren wir damals noch eine ziemlich kleine Gruppe mit 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Trotzdem hat man tolle neue Leute kennengelernt. Besonders gut fand ich die Möglichkeit, neben meiner Einsatzstelle in der Werkstatt Basan auch in andere Bereiche hineinzuschnuppern. Dabei war eine Station dasdamalige Sport- und Kulturzentrum SPuK in Eckardtsheim, wo ich verschiedene Angebote begleitet habe. Eine zweite war das Krankenhaus Mara, wo ich auf einer Station für Menschen mit Epilepsie im Einsatz war. Für mich aus dem Jahr mitgenommen habe ich die Sicherheit, dass die Arbeit am Menschen mir unglaublich viel Spaß macht und genau mein Ding ist.«
Betheljahr in der Werkstatt Basan, heute Gesundheits- und Krankenpfleger im Krisenteam von Bethel.regional in Bielefeld
2008 | Verena Eschmann
»Dass ich mit erwachsenen Menschen mit Behinderung arbeiten wollte, war für mich schon vor dem Betheljahr klar. Den Werkstattbereich kannte ich aus einem Praktikum während meiner Schulzeit am Berufskolleg Bethel; für den Freiwilligendienst wollte ich dann gerne in ein Wohnangebot. Absolviert habe ich das Jahr im Fachkrankenhaus Siloah. Dort habe ich bei der Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner geholfen, sie aber auch im Alltag und in der Freizeitgestaltung unterstützt. Rückblickend hat mich diese Zeit in meiner Entscheidung bestärkt, im sozialen Bereich zu bleiben. Im Anschluss habe ich in Bethel eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin gemacht und noch eine Weile als Wochenendhelferin in Siloah weitergearbeitet. Danach bin ich nach Kiel gezogen, um dort Soziale Arbeit zu studieren.«
Betheljahr im Fachkrankenhaus Siloah, heute Sozialpädagogin in der Eingliederungshilfe in Kiel
2019 | Ana Lucila Garcete
»Nach dem Psychologiestudium in meiner Heimat Paraguay wollte ich etwas Neues ausprobieren, eine neue Sprache lernen und praktisch arbeiten. Online habe ich mich über Freiwilligendienste in Deutschland informiert und bin dabei auf das Betheljahr gestoßen. In Bethel habe ich mich sofort willkommen gefühlt. Eingesetzt war ich im BoBB-Projekt im Krankenhaus Mara. Dort haben wir Menschen mit Epilepsie begleitet. Es war schön, zu sehen, dass auch kleine Gesten eine große Bedeutung haben können – und man manchmal schon mit ganz wenig Aufwand ganz viel erreichen kann. Immer wieder habe ich während des Jahres auch Einblicke in die Ergotherapie bekommen. Das gefiel mir so gut, dass ich im Anschluss eine Ausbildung begonnen habe und deshalb erst einmal in Deutschland bleiben möchte.«
Betheljahr International im Projekt »Bedürfnisorientierte Begleitung von Menschen mit Behinderung« (BoBB) im Krankenhaus Mara, heute Auszubildende in der Schule für Ergotherapie Eckardtsheim im Evangelischen Klinikum Bethel
Diese Geschichte einfach gesprochen
Seit 20 Jahren gibt es das Betheljahr. Das ist ein Freiwilliges Soziales Jahr in Bethel. 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind 2002 gestartet. Im vergangenen Jahr waren rund 480 junge Menschen in Bethel im Einsatz. Ein großer Erfolg. Viele von den jungen Menschen bleiben nach ihrem Betheljahr. Sie machen zum Beispiel eine Ausbildung.
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Kontakt
Betheljahr | Freiwilligenagentur-Bethel
Grete-Reich-Weg 13
33617 Bielefeld
Angebote & Leistungen
Das Betheljahr ist ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Bethel. Es ist als Orientierungsjahr zwischen Schule und Beruf ausgerichtet. Die Lern- und Erfahrungsbereiche Persönlichkeitsentwicklung und Berufsorientierung bilden die inhaltlichen Schwerpunkte des Betheljahres.