Menschennah | Geschichten aus Bethel
Zurzeit ist Klaus Jürgen Mann „Jürgen Sorgenfrei“
Als Klaus Jürgen Mann vor über 40 Jahren beim Grenzschutz eine Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten des Bundes begann, wusste er nicht wirklich, was eine psychische Erkrankung ist. Er war in Auslandseinsätzen, viel unterwegs und stand nach eigener Aussage „mitten im Leben“. So richtig weiß er gar nicht, wann es anfing: „Es war ein schleichender Prozess, aber mit 25 Jahren erlebte ich die erste Episode meiner bis heute andauernden seelischen Beeinträchtigung.“ Höhen und Tiefen folgten. Inzwischen ist Klaus Jürgen Mann 59 Jahre alt und seit zehn Jahren als Mitarbeiter in der Betheler Tagesstätte für Menschen mit seelischer Beeinträchtigung tätig. Stand heute beschreibt er seine jetzige Lebenssituation mit den durchweg positiven Worten „Jürgen Sorgenfrei“!
Klaus Jürgen Mann hatte während eines beruflichen Einsatzes in Irland einen psychischen Zusammenbruch und kam nach Deutschland zurück. Nach einem vierwöchigen Klinikaufenthalt in Lüneburg und weiteren fünf Monaten „Krank sein“ fing er wieder beim Grenzschutz in Lüneburg an: „Aber da habe ich irgendwie nur funktioniert und mich gar nicht mit den Gründen oder den Auslösern meiner Erkrankung beschäftigt.“ Als es dann wenige Monate später darum ging, Beamter auf Lebenszeit zu werden, fiel er aufgrund der seelischen Erkrankung durch die Prüfung durch. „Da brach für mich natürlich eine Welt zusammen. Ich wurde langzeitkrank und war etwa fünf Jahre gar nicht in der Lage, zu arbeiten“, spricht Klaus Jürgen Mann von einer sehr schweren Zeit in seinem Leben.
Neue Wege
Mit Anfang 30 startete er aber ganz neu durch: „Ich begann im Rahmen einer Umschulung in Hamburg eine Ausbildung zum Speditionskaufmann.“ Diese schloss er als Jahrgangsbester ab und konnte bei seinem Ausbildungsbetrieb, einer Reederei, bleiben. Die unbefristete Arbeitsstelle lehnte er aber ab. Er merkte einfach, dass er mit seiner Erkrankung nicht die Hektik des Arbeitsalltags in einem Großraumbüro mit vielen Kolleginnen und Kollegen bewältigen konnte.
Nach einer kurzen Zeit der Suche machte er sich selbstständig. Mehr als zehn Jahre war er mit seinem Marktstand auf den Hamburger Wochenmärkten unterwegs. Doch ein weiterer schwerer Schub führte dazu, dass er nicht mehr regelmäßig arbeiten konnte. Und privat kam dann noch die Trennung und Scheidung von seiner damaligen Frau hinzu. So wurde er im Jahr 2007 wieder für vier Wochen in einer Klinik aufgenommen, dieses Mal in Stade. „An einen normalen Tagesablauf war zu dieser Zeit gar nicht zu denken. So bekam ich den Rat, mir mal die Tagesstätte von Bethel im Norden in der Hökerstraße anzuschauen, um langsam wieder eine Struktur in meinen Alltag zu bekommen. Und dies war wirklich die beste Entscheidung, die ich in meinem ganzen Leben getroffen habe“, so Klaus Jürgen Mann rückblickend.
Am Anfang sah es aber gar nicht nach seiner persönlichen Erfolgsgeschichte aus. Er war nach eigener Aussage die erste Zeit sehr ruhig, passiv, aus seiner heutigen Sicht schon fast teilnahmelos. Heute weiß er, dass es einfach seine Zeit brauchte, die Erkrankung „anzunehmen“, sich damit auseinanderzusetzen. Ein Mitarbeiter der Tagesstätte ließ nicht locker: „Er hat mich erreicht, mir gezeigt, wie wichtig gemeinsame Aktivitäten oder auch Aufgaben sind, die man den Tag über erledigt.“ So wurde die Tagesstätte immer wichtiger für ihn: Er freute sich auf die Begegnungen mit den Menschen dort und entdeckte wieder einen wirklichen Sinn für sein Leben. Fünf Jahre später wurde er gefragt, ob er Mitarbeiter in der Tagesstätte werden wollte.
Klaus Jürgen Mann überlegte nicht lange und unterschrieb im Jahr 2012 seinen Arbeitsvertrag. Seine Arbeit füllt ihn bis heute aus: Er ist im Fahrdienst tätig, arbeitet im Hauswirtschafts- und im Freizeitbereich, kümmert sich um die Annahme von Spenden. „Für uns ist er absolut ein gleichwertiger Kollege, der vom gesamten Team sehr geschätzt wird“, so Jürgen Dubau anerkennend. Als besonders wertvoll empfindet der Leiter der Tagesstätte die Lebenserfahrung, die Klaus Jürgen Mann über die Jahre gesammelt hat: „Er hat ein ganz besonderes Gespür dafür, was unsere Besucherinnen und Besucher gerade brauchen. Ist es ein wenig Aufmunterung, vielleicht auch der notwendige Schubs? Oder ist es besser, sie zur Ruhe kommen zu lassen und wieder anzusprechen, wenn es passt?“
Text und Fotos: Ingolf Semper
Diese Geschichte einfach gesprochen
Klaus Jürgen Mann hat bei der Polizei gearbeitet. Er war viel unterwegs. Bis er krank wurde. Er leidet an einer seelischen Beeinträchtigung. Heute ist Klaus Jürgen Mann 59 Jahre alt. Seit zehn Jahren arbeitet er in einer Tagesstätte von Bethel. Dort trifft er andere Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen. Seine Arbeit macht ihn glücklich.
Sie möchten mehr erfahren?
Angebote & Leistungen
Die Tagesstätte ist eine Einrichtung für Menschen mit seelischen Behinderungen und ist Bestandteil der gemeindepsychiatrischen Versorgung. Sie arbeitet eng mit entsprechenden Institutionen und Fachdiensten zusammen. Es gibt Hilfen zur Wiedergewinnung einer selnbstständigen Lebensführung sowie ergotherapeutische Leistungen.