Menschennah | Geschichten aus Bethel

„Für mich ist Plastik auch nur ein Stoff“

Kulturbeutel, Portemonnaie, Schlüsselanhänger: Viele nützliche und schicke Accessoires lassen sich aus einem Material herstellen, das wohl die wenigsten für wiederverwertbar gehalten hätten: gebrauchte Schwimmflügel. Doch genau diese Auftriebshilfen aus Gummi erhalten im „Nähwerk“, der Nähwerkstatt im Betheler „Tagwerk“, eine zweite Chance.

In dem Tagesaufenthalt für Menschen mit psychischen Erkrankungen am Herbergsweg arbeiten viele kreative Menschen – wie etwa Ulrike Kögel*. Die Bielefelderin besucht die Nähwerkstatt schon seit vielen Jahren. Neben Geduld und Erfahrung bringt sie vor allem viel Fingerspitzengefühl für die nicht immer einfache Verarbeitung des zähen Materials mit. Auch privat ist die Frau, die sich selbst als „Patchworkerin“ bezeichnet, oft mit Nadel und Faden zugange. „Plastik ist für mich auch nur ein Stoff. Nur eben fester“, sag sie. Spezielle Maschinennadeln sind nötig, um die dicke Gummischicht der Schwimmflügel zu durchstoßen, ohne dass die Nadeln abbrechen. Ulrike Kögel schätzt das stabile Material, denn es macht ihre Kreationen standfest, langlebig und wasserabweisend. Die meisten Exemplare werden mit Reißverschlüssen und einem Logo veredelt. Das Rohmaterial, die ausgemusterte Schwimmhilfen, kommt von allen Bielefelder Bädern und wird seit mittlerweile vier Jahren im Ishara gesammelt.

Neben ihrer Leidenschaft für das Nähen ist der Gedanke, weniger neue Dinge kaufen zu müssen, ein Ansporn für Ulrike Kögel. Die Wiederverwertung vorhandener Materialien sei ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz. „In der Textilbranche passieren so viele Dinge, die schlecht sind für die Umwelt“, sagt sie. Neben Schwimmflügeln werden auch Markisenstoffe, Wachstischdecken und Luftmatratzen zu einzigartigen Taschen oder praktischen Necessaires umfunktioniert. Die Kreativität blieb nicht unbemerkt: Für einen Rucksack aus geleerten Milchtüten wurden die Näherinnen aus Bethel sogar mit dem Designpreis des Museums Marta ausgezeichnet.

Der kreative Kopf hinter dem Upcycling-Projekt im Tagwerk ist Esther Deppendorf. Schon seit acht Jahren macht die Ergotherapeutin sich Gedanken, was man wie verarbeiten könnte: „Zunächst ging es vor allem um die sinnvolle Nutzung der vielen Materialspenden, die wir von Unternehmen erhalten. Wir haben uns gefragt: Was können wir Schönes daraus machen?“ Heute sind die Produkte aus dem Fachwerkhaus am Herbergsweg nicht nur direkt vor Ort, auf lokalen Märkten wie dem Weihnachtsmarkt auf dem Siegfriedplatz sowie auf dem Bethel-eigenen Upcycling Markt zu finden, sondern sie sind auch im M Kaffee erhältlich. In dem Café am Bielefelder Gehrenberg erfreuen sich die handgemachten Produkte großer Beliebtheit – für einen Preis von 16 Euro pro Stück. Der Verkaufserlös geht vollständig an das Betheler Tagwerk.

 

Text: Robert Burg | Fotos: Matthias Cremer

Diese Geschichte einfach gesprochen

In der Betheler Nähwerkstatt werden alte Schwimmflügel zu neuen Dingen wie Taschen und Schlüsselanhängern gemacht. Ulrike Kögel arbeitet dort und mag es, aus alten Sachen etwas Neues zu machen. Ihr gefällt, dass es gut für die Umwelt ist. Die Sachen werden verkauft, und das Geld hilft anderen Menschen.

Sie möchten mehr erfahren?

Kontakt

Tagesgestaltende Angebote Tagwerk
Herbergsweg 10
33617 Bielefeld

Johanna Verwold
0521 144-4042

Zur Website des Angebots

Angebote & Leistungen

Das TagWerk ist eines von mehreren tagesgestaltenden Angeboten von Bethel.regional. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Erwachsene, die aufgrund der Auswirkungen einer psychischen Beeinträchtigung z.Zt. nicht in der Lage sind, ihren Tag eigenständig zu gestalten oder einer Arbeitsmöglichkeit nachzukommen.

Das TagWerk bietet ein vielfältiges tagesstrukturierendes Angebot, das Beratung, Begegnung mit anderen Menschen, Geselligkeit und Gespräche und Arbeitsangebote ohne Leistungsdruck ermöglicht.

Menschennah

Weitere Geschichten aus Bethel

Themen | Krankenhaus, Bielefeld

Wichtige Hilfe in einem fremden Land

Wichtige Hilfe in einem fremden Land
Mats-Till wird im Rollstuhl von seinem Bruder durch einen Flur im Kinder- und Jugendhospiz Bethel geschoben.

Themen | Hospiz, Bielefeld

Die Rennstrecke macht auch auf Rollen Spaß

Die Rennstrecke macht auch auf Rollen Spaß
Zwei Frauen und ihre Kinder lachen gemeinsam.

Auf der Flucht und schwanger – mit 17

Auf der Flucht und schwanger – mit 17
Sonja Schüler und Benjamin Stücke stehen an der Bar und lächeln in die Kamera

Themen | Arbeiten in Bethel, Bielefeld

Küchenfee im Plan B

Küchenfee im Plan B
Andreas Zylla geht auf dem Bürgersteig an einem Haus vorbei. Er zieht einen Rollwagen hinter sich her. In der linken Hand hält er eine Zeitschrift.

Themen | Psychische Erkrankungen, Bielefeld

Die Post kommt auch bei Regen

Die Post kommt auch bei Regen
Christian Meyer steht vor einem Nistkasten.

Themen | Psychische Erkrankungen, Bielefeld

Schutzraum für bedrohte Insekten

Schutzraum für bedrohte Insekten

Pressekontakt

Presse + Kommunikation

Sie suchen Hilfe?

Sie oder eine angehörige Person sind auf Hilfe oder Begleitung angewiesen und suchen Unterstützung?

Sie möchten helfen?

In Bethel gibt es viele Möglichkeiten selber zu helfen. Wir freuen uns über jede Unterstützung!