Menschennah | Geschichten aus Bethel
Jeder Handgriff sitzt
Sehen, was man geschafft hat – das ist Elvira Schelinski wichtig. Und in ihrem Fall ist die gute Sichtbarkeit ihrer Arbeit gleich doppelt gegeben: Die proWerk-Beschäftigte ist auf einem betriebsintegrierten Arbeitsplatz in der Nähwerkstatt von Antonia Berndt und Julia Meinert tätig. Hier fertigt sie Warnwesten für Fahrradfahrer, die dafür sorgen, dass ihre Trägerinnen und Träger besonders gut im Straßenverkehr erkennbar sind.
„Bunte Hunde“ heißen die reflektierenden Westen „Made in Bielefeld“. Blau, gelb, rot oder schwarz sind die leuchtend-bunten Stoffe, aus denen sie gefertigt werden. Beim Vernähen der Zuschnitte sitzt bei Elvira Schelinski jeder Handgriff; jeweils zehn Exemplare näht die 42-Jährige in einem Durchgang. „Am Anfang hat das fast eine ganze Woche gedauert. Aber mittlerweile brauche ich für dieselbe Anzahl nur noch fünf Stunden“, sagt sie.
Seit Juni 2023 gehört die gelernte Schneiderin zum Team des „anju concept store“. Sie ist froh, hier ihren alten Beruf wieder ausüben zu können. Nach der Trennung von ihrem Mann erkrankte Elvira Schelinski psychisch und wurde stationär unterstützt, unter anderem in Bethels Fachklinik Pniel. Im Anschluss absolvierte sie eine berufliche Bildungsmaßnahme in der Textilverarbeitung des Julia-von-Bodelschwingh-Hauses. Anstatt danach in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen zu wechseln, hat sich Elvira Schelinski für einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz entschieden. Dabei erbringen die Klientinnen und Klienten ihre Leistungen bei einem Arbeitgeber auf dem ersten Arbeitsmarkt außerhalb einer Werkstatt, bleiben aber deren Beschäftigte.
„Um gesundheitlich stabil zu werden und eine Beschäftigung zu haben, ist die Stelle hier für mich ideal“, sagt Elvira Schelinski. „Ich nähe einfach gerne. Und hier werde ich im Gegensatz zur Werkstatt nicht so sehr an meine Erkrankung erinnert.“ Ihr Arbeitsplatz befindet sich direkt hinter den Verkaufsräumen des Geschäfts nahe des Bielefelder Siegfriedplatzes. Zum Sortiment gehören neben Warnwesten für Menschen und Hunde unter anderem Turnbeutel, Bauchtaschen und seit kurzem auch Überzüge für Fahrradhelme. „Alles schön bunt für die bessere Sichtbarkeit im Straßenverkehr“, sagt Elvira Schelinski.
Sauber und passgenau zu arbeiten sei bei der Herstellung das Wichtigste. Schließlich erwarteten die Kundinnen und Kunden einwandfreie Ware. Und die bekommen sie – auch dank des Einsatzes von Elvira Schelinski: „Ich bin stolz auf meine Arbeit – vor allem, wenn positive Rückmeldungen kommen“, sagt sie. Lob gibt es nicht nur von den Kunden, sondern auch von der Chefin: „Frau Schelinski macht hier einen super Job“, sagt Geschäftsführerin Julia Meinert. „Dass wir zusammengekommen sind, war für uns wie ein Geschenk des Himmels.“ Die Erfahrungen mit dem betriebsintegrierten Arbeitsplatz waren so gut, dass Antonia Berndt und Julia Meinert Ende 2023 einen zweiten eingerichtet haben. „Das ist eine total Win-Win-Situation“, so Julia Meinert. „Frau Schelinski und ihre Kollegin freuen sich, in einem ganz regulären Betrieb tätig zu sein. Und auch für uns ist ihre Mitarbeit eine absolute Bereicherung.“
Text: Marten Siegmann | Fotos: Matthias Cremer
Diese Geschichte einfach gesprochen
Elvira Schelinski näht bunte Westen, damit Radfahrer auf der Straße besser gesehen werden. Sie arbeitet auf einem betriebsintegrierten Arbeitsplatz. Das heißt: Sie übt ihre Tätigkeit nicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen, sondern in einem Betrieb aus. Nach einer schwierigen Zeit ist sie froh, wieder als Schneiderin arbeiten zu können.
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proWerk
Betriebsintegrierte Arbeitsplätze
Am Bahnhof 6
33602 Bielefeld
Angebot & Leistungen
Die Betriebsintegrierten Arbeitsplätze sind ein besonderes Angebot für Menschen mit Behinderungen und psychischen Beeinträchtigungen, die Interesse und die Fähigkeit haben, auf Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes in ganz normalen Unternehmen mit Kolleginnen und Kollegen ohne Behinderung zusammenzuarbeiten.