Menschennah | Geschichten aus Bethel
Wie ein Genesungsbegleiter psychisch Erkrankten hilft
Wie geht‘s? Diese Frage verkommt in der Hektik des Alltags oft zu einer Floskel. Nicht so, wenn Fritz Hillebrenner sie stellt. Er ist Genesungsbegleiter in Bielefeld-Bethel und interessiert sich wirklich für das Wohlbefinden der psychisch erkrankten Menschen, um die er sich kümmert. Diese Tätigkeit ist zugleich Teil seiner eigenen Therapie. „Ich finde, es ist wichtig, jemandem sagen zu können, wie man sich fühlt und was man denkt“, betont er.
Zusammen mit der Krankenpflegehelferin Claudia Hülsmann leitet Fritz Hillebrenner eine so genannte Recovery-Gruppe. Das Wort recovery kommt aus dem Englischen und bedeutet Erholung oder Genesung. Genau darum geht es in den Zusammenkünften im Unterstützten Wohnen Triangel am Betheler Karl-Siebold-Weg. Die Treffen im Zwei-Wochen-Rhythmus in der Wohngruppe sind für die beteiligten Klientinnen und Klienten ein Baustein ihrer Therapie. Gemeinsam malen und lesen sie, hören Musik und spielen Spiele. Und sprechen miteinander darüber, wie es ihnen geht.
Fritz Hillebrenner hat für seine Tätigkeit eine 18-monatige Ausbildung zum Genesungsbegleiter absolviert, genauer: einen Ex-in-Kursus. Ex-in steht für experience involved, ist ebenfalls ein englischer Begriff und bedeutet sinngemäß, dass Menschen mit eigenen Krisen- und Psychiatrie-Erfahrungen fachlich geschult werden. Dieses Konzept entwickelte sich aus einem Mangel an Fachkräften und bewährte sich, weil sich manche Betroffene in ganz eigener Weise in ebenfalls Erkrankte hineindenken und -fühlen und ihnen so im Idealfall Hilfestellungen geben können. Das gilt auch für Fritz Hillebrenner. Er bekennt: „Ich bin psychisch erkrankt. Ich habe gute und weniger gute Phasen.“
Der Bau-Ingenieur erlebte an seinem Arbeitsplatz Mobbing durch Kollegen. Das führte bei ihm zu einer psychischen Erkrankung. Es folgten ein Zusammenbruch und der Job-Verlust sowie Aufenthalte in Psychiatrien. Seine Ehe ging in die Brüche. Und wie geht es Ihnen heute, Herr Hillebrenner? „Besser“, sagt er. Obwohl nicht alle seine Tage hell sind, fühlt Fritz Hillebrenner sich stabiler als früher. „Auf einer Skala von 1 bis 10 bin ich momentan bei 7“, beziffert er seinen Zustand.
Zum Aufschwung hat seine Tätigkeit als Genesungsbegleiter, die er schon seit 2017 ausübt, wesentlich beigetragen. „Ich habe eine Aufgabe und trage Verantwortung, das tut mir gut und hilft mir bei meiner eigenen Genesung“, sagt er. Fritz Hillebrenner blüht bei den Treffen auf. Er ist kommunikativ, humorvoll und kann gut zuhören. So hat er über die Jahre Vertrauen zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aufgebaut und lässt sie spüren, dass sie nicht allein sind. „Fritz ist ganz wichtig für unsere Gruppe“, sagt Claudia Hülsmann, „durch ihn hat sich ein Wir-Gefühl eingestellt.“
Bis Ende 2024 möchte Fritz Hillebrenner seine Tätigkeit als Genesungsbegleiter noch ausüben. Gern würde der 66-Jährige schon bald einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin einarbeiten. Schließlich ist es ihm wichtig, dass auch künftig jemand die Menschen in der Recovery-Gruppe im Unterstützten Wohnen Triangel fragt, wie es ihnen geht.
Text und Fotos: Philipp Kreutzer
Diese Geschichte einfach gesprochen
Fritz Hillebrenner ist 66 Jahre alt und psychisch krank. Er hat eine 18-monatige Ausbildung zum Genesungsbegleiter gemacht. Jetzt hilft er Menschen, die so wie er eine psychische Erkrankung haben. Er verbringt Zeit mit ihnen und fragt sie, wie es ihnen geht. Diese Aufgabe macht ihm Freude und tut ihm gut.
Sie möchten mehr erfahren?
Kontakt
Bethel.regional
Unterstütztes Wohnen Triangel
Ebenezerweg 18
33617 Bielefeld
Angebote & Leistungen
Das Angebot richtet sich an erwachsene Männer und Frauen mit psychischer Erkrankung und/oder Abhängigkeitserkrankung. Sie werden bei Bedarf bei der Vermittlung einer geeigneten Wohnung unterstützt. Apartements sind vorhanden und können bei Inanspruchnahme des Dienstes genutzt werden. Außerdem bietet das Angebot Assistenz, Förderung und Begleitung auf der Grundlage eines Gesamtplanverfahrens.