Ein großes Herz für Ross und Reiter

Im Therapeutischen Reiten Bethel hat Carla Severin die schönste Arbeit gefunden.

„Ich bin ja schon mein ganzes Leben aktive Reiterin. Wir haben zuhause eine Pferdezucht mit neun Pferden. Und hier im Reitstall gibt’s dann noch acht therapeutische Pferde. Es ist für mich die schönste Arbeit!“ Für Carla Severin ist jeder Tag im Betheler Reitstall Hobby, Beruf und Berufung zugleich. Menschen und Tiere zusammenzubringen und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes eine gute Zeit zu „bereiten“, ist der 32-jährigen Reittherapeutin ganz besonders wichtig: „Das ist hier ein lebendiger Ort der Begegnung: Bunt, laut, vielfältig“, erklärt Carla Severin gut gelaunt. „Es kommen ganz unterschiedliche Menschen zu mir. Kinder, aber auch Erwachsene mit Förderbedarfen.“
 

Vor allem die Arbeit mit Kindern wie der sechsjährigen Nadira bedeuten Carla Severin viel, die selbst Mutter eines kleinen Sohnes ist. Nadira kommt jede Woche zur heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd; ihre Eltern werden von der Betheler Einrichtung „Begleitete Elternschaft“ betreut. Carla Severin und ihr graubraunes Therapiepferd Milo zeigen Nadira, wie sie das Fell sanft bürstet und die Hufe vorsichtig auskratzt, bevor es gemeinsam in die Reithalle geht und Nadira in den Sattel steigt. Während der gutmütige Wallach gelassen Runde um Runde dreht, gibt die routinierte Reittherapeutin ihrer jungen Schülerin einfühlsam Anweisungen: „Nadira, kannst Du einen Arm kreisen lassen, auch im Trab? Hey, sogar vorwärts und rückwärts! Super!"

Im Reitstall können die Kinder unter anderem lernen, Regeln einzuhalten, ein gutes Körpergefühl zu entwickeln - und Selbstbewusstsein: „Sie trauen sich Übungen zu, die sie sich vorher noch nicht getraut haben. Wir üben hier wirklich im kleinen geschützten Rahmen, was die Kinder auf das spätere Leben vorbereitet“, gewährt Carla Severin Einblick.

Seit sie vor zehn Jahren ihr freiwilliges soziales Jahr im Betheler Reitstall gemacht hat, hat es die gelernte Heilerziehungspflegerin nicht mehr losgelassen, genau wie ihre sechs anderen Kolleginnen und Kollegen ebenfalls staatlich geprüfte Reittherapeutin zu werden: „Für mich war das eine prägende Zeit, die ich sehr wertgeschätzt habe. Die Arbeit ist einfach sinnstiftend.“

Fortan fördert und schult Carla Severin nicht nur Kinder in Bethel im sensiblen Umgang mit Pferden, sondern leitet auch Menschen mit Behinderungen an, die das Reiten als richtigen Sport betreiben wollen. Und schließlich bildet sie die vom Stall neu gekauften Pferde aus, damit sie später in den Therapiestunden gute Assistentinnen und Assistenten sind: „Wir üben mit den Tieren, in verschiedenen Situationen ruhig zu bleiben; beispielsweise, wenn ein Reiter, der Einschränkungen hat, mal per Lifter aufs Pferd gehoben wird. Außerdem gewöhnen wir die Pferde daran, dass die Menschen mal Geräusche äußern oder sich ungewöhnlich bewegen.“

Das Ganze kann bis zu einem Jahr dauern. Trotzdem hat Carla Severin immer genug Gelegenheit, wahre Glücksmomente der Reiter zu erleben: „Von Jauchzen und Klatschen, über Jubeln bis hin zu Freundschreien ist das ganz vielfältig. Zu beobachten, dass sich die Leute über Dinge freuen, die sie hier geschafft haben, die vielleicht vor Kurzem noch nicht so gelungen sind. Das alles begleiten zu können, macht die Arbeit einfach super wertvoll!“

Text: Jörn Haarmann | Fotos: Mattthias Cremer