Menschennah | Geschichten aus Bethel

Schicht für Schicht ins Leben tauchen

Eine Melange aus Farbe, Holz und einem Hauch Kaffee füllt das kleine Atelier mit einem würzigen Duft. Das Parkett ist mit Malervlies bedeckt. Auf dem groben, grauen Stoff schichtet sich buntes Acryl und die Gouache tüncht Fasern in Rot und Blau. Monika Wohlfahrt taucht einen Schwamm in knallgelbe Flüssigkeit und bearbeitet damit ihr Werk. Sie reibt über die Fläche und kreist. Sie schabt und kratzt mit den Fingern, bis ältere, darunterliegende Farbe hervortritt. Auf diese Weise entstehen Bilder, die vielschichtig sind – so, wie es die 58-Jährige Bethel-Mitarbeiterin auch selbst ist.

Seit nahezu 40 Jahren hält sie ihrem Arbeitgeber die Treue. Monika Wohlfahrt? Vielleicht kann man mit diesem Nachnamen auch nur etwas Soziales tun? In ihrem Fall war das eine Ausbildung zur Sozialmilieupädagogin. Lange unterstützt Monika Wohlfahrt im damaligen Haus Patmos Menschen mit sehr schweren Behinderungen. Dann wechselt sie in die Psychiatrie. Spannend sei es gewesen, in Gilead IV auf einer geschlossenen Station im Schichtwechsel zu arbeiten. „Aber irgendwann war ich ausgebrannt, wurde krank“, sagt sie. Gerettet habe sie die Malerei. Die Kunst.

„Früher habe ich alle Wut, alle Emotionen ´draufgeknallt. Heute ist ein bisschen Wucht verloren. Ich kann jetzt etwas zarter werden, weicher“, ist sie überzeugt. Und das sieht man ihr an. Ihr Gesicht ist pur. Kantig. Entschlossen. Aber da ist auch so ein spontanes, sprudelndes Lachen und alles wird leichter. Ihre zumeist großformatigen Werke werden farbenfroher, sind im wahrsten Sinn weniger schwer, weil sich die Dicke der Farbschichten reduziert hat.

Während sie im Atelier spontan und informell arbeitet, mit Techniken experimentiert, und auch der Zufall eine große Rolle spielt, ist die Arbeit in Bethel gut organisiert. Nach ihrer Erkrankung lässt sie sich umschulen und arbeitet als Sekretärin im Evangelischen Klinikum Bethel – inzwischen als Assistentin des wissenschaftlichen Direktors Prof. Dr. Fritz Mertzlufft. „Ich bin froh, dass ich so ein sicheres Standbein habe. Bethel gibt mir finanzielle Unabhängigkeit“, betont Monika Wohlfahrt. All ihr Verdienst gehe in die Kunst. Miete für das Atelier. Farben. Leinwände. Stolz ist sie darüber, einen eigenen Galeristen in der Bielefelder Altstadt zu haben. Und auch auf so manche Ausstellung kann sie zurückblicken.

Doch vor allem blickt die 58-Jährige nach vorn. Sie hat noch viel vor. In ihrem kleinen Atelier im Bielefelder Stadtteil Brackwede wird es zu eng. Im kommenden Jahr wird sie umziehen, in größere Räume. Sie plant, Malkurse zu geben. Als sie jung war, sei ihr oft vorgeworfen worden, zu schnell, zu laut und zu wild zu sein. „So sind Mädchen doch nicht!“ Vielleicht wäre ihr Leben ohne Rollenerwartungen anders verlaufen. Vielleicht hat es ihr aber auch Kraft gegeben, die sie jetzt einsetzen kann, um ihre Zukunft und die Kunst dynamisch und frei zu gestalten.

Text: Heike Lepkojies | Fotos: Christian Weische

Diese Geschichte einfach gesprochen

Die Kunst ist Monika Wohlfahrt sehr wichtig. Sie benutz viel Farbe für ihre großen Bilder. Seit rund 40 Jahren arbeitet sie in Bethel. Nach der Arbeit fährt sie oft in ihr Atelier. Das tut ihr gut. Man spürt Wut oder Fröhlichkeit in ihren Werken. Ihre Bilder sind schon oft in Galerien ausgestellt worden.

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